Wie soll ich dich empfangen? – Predigt zum 1. Advent – Pfarrerin Dr. Hartmann


20151130003155Liebe Gemeinde!

„Wie soll ich dich empfangen?“  So haben wir uns gerade singend gefragt. Wir, die wir in der Adventszeit und an Heiligabend den Gottesdienst besuchen. Die wir uns auf die Ankunft Jesu, des Sohnes Gottes, in dieser Welt vorbereiten und sie an Weihnachten auch gebührend feiern wollen.

Viele Menschen fragen nicht mehr danach. Sie wissen nicht mehr, worum es an Weihnachten geht. Sie haben Weihnachten zu einer lauten Konsumgelegenheit und einem stimmungsvollen Event verkommen lassen. Manchmal habe ich regelrecht das Gefühl: Weihnachten ist aus der Kirche ausgewandert. Während jeder Kegelclub und jeder Betrieb seine Weihnachtsfeier hat, verlegen wir unsere gemütlichen Treffen schon weitgehend in andere Jahreszeiten. Gerade weil an vielen Orten ein so übertriebener Aufwand mit Weihnachten betrieben wird, tue ich mich schwer damit, mich auf Weihnachten vorzubereiten und es zu feiern. Ich möchte ja nicht in Äußerlichkeiten stecken bleiben, sondern mich wirklich dem Anlass des Festes nähern. Und darum frage ich: „Wie soll ich dich empfangen?“

Dabei haben wir viele schöne Advents- und Weihnachtsbräuche, die uns helfen, uns dem Sinn des Festes zu nähern. Zum Beispiel den Adventskranz.

„Erst ein, dann zwei, dann drei,  dann vier…“  – so haben wir als Kinder vom 1. Advent an gezählt, bis endlich am 4. Advent alle Kerzen am Adventskranz brannten. Erfunden hat ihn im 19. Jahrhundert der Leiter eines Hamburger Waisenhauses, Johann Hinrich Wichern, für seine Schützlinge.

Auf Weihnachten zu warten, ist für Kinder bis heute eine harte Nuss. Jede Woche eine Kerze mehr zu entzünden, heißt, sich dem Fest behutsam zu nähern. Langsam werden wir hineingezogen in den Lichterglanz des Weihnachtsfestes.

Zwischen die vier großen Kerzen für die Sonntage steckte Wichern kleine, eine für jeden Wochentag. Damit kam er unserem Brauch schon sehr nahe, an den 24 Tagen vor Weihnachten je ein Fenster oder eine Tür an einem Adventskalender zu öffnen. Täglich werden wir daran erinnert: Gott hat uns in Jesus die Tür zu seinem Herzen geöffnet.

Als ich noch ein kleines Kind war, verbargen sich Bildchen hinter den Türen des Adventskalenders, später ein Stück Schokolade. Heute sind es oft schon richtige Geschenke. Dabei ist das, was hinter den Türen steckt, nicht von so großer Bedeutung. Wichtig ist das allmähliche Öffnen der Türen. Es ist, als ob mit jeder Tür oder jedem Fenster, das geöffnet wird, ein Stück vom Glanz des Weihnachtsfestes in mein Leben fällt.

Sterne begegnen uns in der Adventszeit in vielerlei Gestalt: als Lichter, Baumschmuck oder Gebäck. Sie erinnern an den Stern, der drei weisen Männern den Weg zum Säugling in der Krippe zeigte:

„Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“ (Matthäus 2, 2)

Der Stern wurde den drei weisen Männern zum entscheidenden Wegweiser. Wir dürfen an sie denken, wenn wir unsere Wohnung mit Sternen schmücken. Wir dürfen aber auch die Augen aufhalten nach Wegweisern, die Gott für uns bereit hält: ein biblisches Wort, eine Zeit der Stille, ein Gottesdienst. Vielleicht zeigen sie uns zunächst keinen Weg, den wir einschlagen sollen. Vielleicht helfen sie uns einfach, zur Ruhe zu kommen und zu entdecken, was an Wünschen und Sehnsüchten in uns steckt.

Ein besonderer Stern gehört bei vielen auf jeden Fall gehört zur Festzeit: der Weihnachtsstern auf der Fensterbank. Oft verliert er schon bald nach dem Fest seine Blätter, vielleicht aus Sehnsucht nach seiner Heimat. In seiner warmen Heimat trägt er seinen Blattschmuck das ganze Jahr über. Adventszeit –  eine Gelegenheit, unser inneres Sehnen wieder zu spüren: nach einem Ort, wo Licht und Wärme herrschen, aber auch nach dem Reich von Gottes Friedensherrscher, in dem die Gerechtigkeit dauerhaft blüht. Gerade in der letzten Zeit haben wir besonders gespürt, wie nötig die Welt einen solchen Friedensherrscher hat.

In diesen Tagen besorgen wir uns Tannengrün und schmücken es mit Kerzen und kleinen Figuren. Gerade wenn es noch frisch ist, erfüllt sein würziger Geruch den ganzen Raum und hilft uns, uns nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen auf das Fest vorzubereiten.

Kinder basteln Strohsterne und erinnern damit schon in der  Vorweihnachtszeit an das Stroh in der Krippe und den Stern von Bethlehem von Bethlehem. Der Naturton des Strohs und das Rot von Äpfeln bilden einen wunderbaren Kontrast zum Grün von Tannenzweigen. Noch anderer gute Düfte außer dem von Tannengrün ziehen in diesen Tagen durchs Haus: wie etwa der von Zimt beim Plätzchen backen. Ein angenehmer Geruch wie der von Zimt wehte übrigens auch in biblischer Zeit durch den Tempel, wenn Menschen Gott für seine guten Gaben ein Dankopfer brachten.

Plätzchen bereiten schon bei der Zubereitung eine angenehme Atmosphäre. Den Geschmack der fertigen Plätzchen wissen Jung und Alt erst recht zu schätzen.

So wecken Geschmack und Gerüche in uns dankenswerte Erinnerungen, etwa an Tage, in denen wir zusammen mit Eltern oder Großeltern gebacken haben. Sie holen ein Stück der damaligen Geborgenheit zurück. Vielleicht halfen den Israeliten die guten  Gerüche beim Darbringen von Opfern  in ähnlicher Weise, sich bei Gott geborgen zu fühlen. Denn bei ihm finden wir unser Leben lang ein Zuhause.

Je mehr wir uns dem Fest nähern, desto heller wird der Lichterschein: die Zahl von Kerzen in den Wohnungen, von Lichterketten in den Fenstern und an Bäumen nimmt täglich zu. Viele von Ihnen kennen die Satire von dem erdachten Ort Stenkelfeld, in dem die Bewohner ihren Wettkampf um die aufwändigste Weihnachtsbeleuchtung so auf die Spitze treiben, dass am Ende das Kohlekraftwerk in der Nähe unter dem horrenden Energiebedarf explodiert und alle nur noch im Dunkeln umherirren. Wir brauchen nicht mitzumachen beim Wettbewerb der Lichter. Manchmal hilft das Licht einer Kerze viel besser, zur Ruhe zu kommen und uns auf den zu besinnen, der das Licht der Welt ist: Jesus Christus.

Am Heiligen Abend wird es dann endlich so weit sein: Wir hören die Botschaft, die vor mehr als 2000 Jahren der Engel verkündigte: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ (Lukas, 2,11)

Wir können die Freude über dieses große Geschenk Gottes weitergeben: nicht nur mit liebevoll ausgesuchten Geschenken, sondern auch, indem wir selbst zu Engeln werden und die frohe Botschaft weitersagen.

Seinen Engel schickt Gott in eine unwirtliche Umgebung, damit die Welt erfährt: Der Retter ist da. Es sind einfache Hirten, die als erste die Botschaft hören: Gottes Sohn ist geboren. Wenn  wir zu traurig, einsam oder besorgt sind, um in Weihnachtsstimmung zu kommen, dann sind wir gerade recht vorbereitet, um den Sohn Gottes zu empfangen.

Die Hirten werden zu einem Kind geschickt, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt. Gottes Sohn kommt nicht in einem Palast, sondern in einem Viehstall zur Welt. So zeigt es die Krippe, die wir bald auch hier in unserem Kirchsaal wieder aufbauen werden.

Wie schön, dass zu Weihnachten noch viele Menschen den Weg in die Kirche finden. Manche zieht es in besonders idyllisch gelegene Kirchen, andere in einen Dom voller Kunstschätze. Aber eigentlich ist es gleichgültig, wo wir die Weihnachtsbotschaft vernehmen. Sei es eine kleine Kapelle, ein großer Dom oder unser schlichter Kirchsaal hier auf dem Küllenhahn – die Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes ist überall dieselbe.

In dieser Welt mit ihren vielen Dunkelheiten ist durch die Geburt Jesu das Licht Gottes aufgeleuchtet. Wenn am Heiligen Abend der Weihnachtsbaum in seiner voller Lichterpracht erstrahlt, gewinnen wir einen kleinen Eindruck von diesem Licht.

Für viele Menschen sind Kugeln am Weihnachtsbaum genauso unverzichtbar wie Lichter.  Sie verleihen dem Baum einen Anflug vom verlorenen Paradies, sei es, dass sie als rote Kugeln an die Äpfel des Paradiesbaumes erinnern oder als weiße an eine Zeit unschuldiger Lebensfreude.

Die viel besungene weiße Weihnacht bleibt leider oft aus. Manchmal stellt sich dafür nach Weihnachten der sehnlich erwartete Schnee ein und legt sich auf den festlichen Schmuck. Überhaupt, die Zeit nach Weihnachten. In der alten Kirche wurde sie viel freudiger begangen als die Adventszeit, die als eine Bußzeit galt. In unserer Zeit dagegen werden schon im September die ersten Weihnachtsartikel verkauft. Nach Weihnachten dagegen müssen in den Geschäften die Weihnachtsartikel ganz schnell den Knallkörpern und Sektflaschen weichen.

Wie traurig wäre es, wenn der Alltag wie Schnee die Spuren der Weihnachtsfreude in unseren Herzen ebenso schnell zudecken würde. Nehmen wir uns Zeit, das Weihnachtsfest ausgiebig zu feiern! Nachdem wir uns in bescheidener Weise darauf vorbereitet haben, ist jetzt die Zeit zu feiern gekommen.

Natürlich hat uns irgendwann der ernüchternde Alltag wieder. Doch in unseren Herzen darf die Weihnachtsfreude weiterblühen, wie eine Schneerose. Zart wirken ihre Knospen und erblühen doch mitten im Schnee. Kein Wunder, dass sie auch den Namen „Christrose“ trägt! Denn Gottes Sohn Jesus Christus kommt als zartes Kind in diese Welt und trotzt dennoch widrigen Umständen und rauem Gegenwind! Diese Kraft gibt er an uns weiter.

Damit die Botschaft von Weihnachten nicht verloren geht, weder für uns noch für andere, muss das Licht von Weihnachten weitergetragen werden. Boten werden gebraucht, die mit guten Worten die Herzen der Menschen zu Klingen bringen.

Auch in den biblischen Erzählungen müssen die Personen, die das Jesuskind besucht haben, in den Alltag zurück. Doch sie sind verändert, nachdem sie Jesus empfangen und ihr Herz aufgenommen haben. Raue Hirten singen Loblieder, Sterndeuter brauchen kein Sternenlicht mehr. Auf dem Weg von der Krippe zurück in den Alltag werden aus kleinen und großen Leuten solche, die den Lichterschein von Bethlehem zu anderen bringen.

Denn dieses Licht verglüht nicht wie ein Feuerwerkskörper, sondern begleitet uns auf unserem Weg und ist wie ein Stern, den wir in unserem Herzen tragen. Amen.

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