Auf ein Wort zum heutigen Reformationstag
Wir sind so frei – sagen zur Zeit erfreulich viele Menschen in unseren Stadtteilen und Kirchengemeinden. „Ich bin so frei“, meine Zeit, meine Fähigkeiten, mein Geld und noch mehreinzusetzen, um Menschen auf der Flucht aufzunehmen.
Menschen entdecken, dass sie etwas zu bieten, zu geben haben. Viele erleben: Wir können etwas bewegen! Etwas bewirken: an Mitmenschlichkeit, Solidarität, Hilfe unmittelbar für andere. Da entsteht ein Geist, ein Einfallsreichtum, eine Beteiligung, eine neue Erfahrung. Sie kostet Kraft, aber gibt auch welche.
Wir erleben, dass wir dankbar sein können, hier zu leben. Das ist ein Geschenk. Niemand von uns hat es sich verdient oder hätte ein Vorrecht darauf. Was wir haben und können ist nicht selbstverständlich. Der Reichtum unseres Landes ist es nicht. Manche werden darüber demütig und nachdenklich…
Wir sind so frei.
Das war eine Entdeckung der Reformation, die Martin Luther heute vor 498 Jahren durch seinen Anschlag der 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg auslöste.
Unser Leben ist ein Geschenk. Wir leben von unverdienter Güte und Liebe. Von geschenkter Liebe, Freundschaft, Solidarität. Von den reichen Gaben dieser Erde. Von der Gnade und Vergebung Gottes, die Luther ganz neu in Jesus Christus fand und für sich entdeckte wie eine Erlösung, einen Freispruch von Druck und Zwang.
Darum: Wir sind so frei. Wir schaffen das, ja: von uns selber abzusehen, nicht ängstlich und sorgenvoll um uns selber zu kreisen.
Die Haltung macht’s.
Mit dieser Haltung können wir die Probleme an unseren Grenzen ansehen und angehen ohne in blinde Abschottung zu fliehen. Wir sind so frei: Diese Haltung gibt einen langen Atem. Wir sind so frei: Mit dieser neuen Erfahrung können wir alle auch hinsehen, wo Menschen unter uns zu kurz kommen, wo Teilhabe und Gerechtigkeit hier versagt bleiben.
Wir werden daran wachsen!
Ilka Federschmidt ist Superintendentin im Kirchenkreis Wuppertal
Quelle: Wuppertaler Rundschau, 31.10.2015